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Wirklich stumm sind Stummfilme nie

Von Hanni Vollmer.

Nach einer etwas längeren Sommerpause, bedingt durch die Fußball-Weltmeisterschaft 2018, startete „Kunst und Kultur im Farrenstall“ am Wochenende wieder schwungvoll in die nächste Event-Saison.

Mit Günter A. Buchwald, dem Mann am Klavier, dem Geiger, Geräuschemacher und Schlagzeuger als Stummfilm-Begleiter bot die Kleinkunstbühne eine keineswegs alltägliche Vorstellung. Der Freiburger, der zu den Mitbegründern der Stummfilmrenaissance zählt, gilt weltweit als Meister seines Faches. Seit 1978 hat er in mehr als 2900 Filmkonzerten mehr als 2600 unterschiedliche Stummfilme begleitet.

Buchwald wird regelmäßig zu internationalen Festivals wie „Giornate del Cinema Muto Pordenone“, dem „British Silent Filmfestival“, dem Retrospektivenprogramm der Berlinale oder dem Filmfestival Kyoto eingeladen. Der musikalische Direktor des Bristol Slapstick Silent und ständiger Gastdirigent des Freiburger Philharmonischen Orchesters Freiburg für Stummfilmkonzerte bei seiner Einführung: „Wirklich stumm waren Stummfilme nie – die Musik zu den laufenden Bildern spielte schon damals eine führende Rolle“.

Als größter und beliebtester Filmstar jener Zeit gilt unumstritten Charlie Chaplin mit seinen faszinierenden Unterhaltungsfilmen und Slapstick – der Visionär, der das, was die Menschen bewegte, reflektierte und brillant umsetzte.

Als Einstieg begleitete Buchwald Sequenzen des Films „Der Pfandleiher“, in dem Chaplin den Gehilfen spielt, der beim Abstauben der Wertgegenstände und beim Putzen der Ladenfassade ständig mit seinem Kollegen in handgreifliche Auseinandersetzungen gerät und um die Gunst der hübschen Tochter des Chefs konkurriert. Mit genialen musikalischen Einfällen ließ Buchwald den melancholischen Mann mit Stock, Melone, Schnurrbart und viel zu enger Jacke lebendig werden.

Die Live-Musik unterstrich die Faszination des historischen Stummfilms. Die Besucher reagierten begeistert. Den Hauptfilm konnte das Publikum auswählen. Die Wahl fiel auf Buster Keatons „Kameramann“, der auf den Tag genau vor 90 Jahren uraufgeführt wurde. Der Held kämpft mit dem Bösewicht um die Gunst des schönen Mädchens. Naivität und Verträumtheit lassen den Kameramann in irrwitzige Lagen bringen.

Tragödie und Komödie reichen sich in dem Stück „Kameramann“ von Buster Keaton die Hand

Tragödie und Komödie reichen sich durchgehend die Hand. Gebärden, Tanz, Stolpern und emotionale Regungen unterstrich der Musiker mit viel Einfühlungsvermögen, Raffinesse und Vielfältigkeit in den Arrangements.

Genial dabei die Synchronisierung von Schnitt, Bild und Live-Musik. Drama und Noten wurden untrennbare Einheit. Buchwalds Musik drängte sich nie in den Vordergrund, gab dem stummen Geschehen jedoch einen hörbaren Ausdruck. Viel Applaus für einen mitreißenden Abend voller magischer dramaturgisch-musikalischer Momente.

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