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Sebastian Lehmann: Waschechter Berliner aus Süddeutschland

Von Hanni Vollmer.

Für viele in der Region seit nun zehn Jahren ein Inbegriff für Kunst und Kultur ist die Kleinkunstbühne KKF im Farrenstall. Am Samstag trat Sebastian Lehmann auf. Der Lesebühnenautor und Poetry Slammer ist nicht nur SWR 3-Hörern bekannt.

Auch im Jubiläumsjahr bietet KKF in angenehmer Atmosphäre Kunst als Erlebnis mit greifbar nahen Künstlern. Es wird nicht nur Anspruchsvolles, Witziges und Sympathisches geboten – das Kleinod ist auch Ort der Begegnung, an dem es bunt und vielfältig zugeht.

Nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr buchten die Macher von KKF Sebastian Lehmann, den sympathischen Jungen der 1980er-Jahre, gleich nochmal für das Zehnjährige. Und siehe da, die Veranstaltung war bereits im Oktober ausverkauft. Zurecht, denn seine Telefonate sorgten wieder für viel Begeisterung und Gelächter im Saal.

Mit den zwischenmenschlichen Geschichten und der Vortragskunst bei staubtrockenem Humor hatte Lehmann schon nach wenigen Augenblicken die Zuhörer auf seiner Seite. Diese waren übrigens rund 20 Jahre jünger als bei anderen Veranstaltungen von KKF.

Eine schlichte Bühne vor einem dunklen Vorhang, Tisch und Stuhl, ein Mikrofon und ein Laptop – mehr brauchte es nicht für einen äußerst amüsanten Abend. Ganz entspannt, mit Tagesbart und unkonventionellem Haarschnitt stellte er sich vor: „Wie alle waschechten Berliner komme ich aus Süddeutschland“, um dann gleich mit ruhiger Stimme von den Telefonaten mit seinen in Freiburg lebenden Eltern zu erzählen.

Über das philosophische Denkprotokoll bezüglich Eltern-Sohn-Beziehung, gesellschaftlich und religiös greifenden Wandels, Politik und Energiefalle mit Klimawandel wird herzlich gelacht – so bei der Argumentation eines Vaters in der Kita „Unser Kind entscheidet später selbst, ob es männlich oder weiblich sein möchte, nicht wahr Tristan-Maria?“ oder beim Kommentar seines Vaters über das Wetter in Berlin: „Der Sommer in Berlin fiel dieses Jahr auf einen Freitag.“

Die tragikomischen Absurditäten, welche die Eltern bei den Telefonaten mit gezielten Seitenhieben auftischen und die Lehmann mit reichlich Selbstironie vorträgt, sind sogar ein guter Therapieansatz – auch fürs Publikum.

Lehmann hat neuere deutsche Literatur, Philosophie und Geschichte in Berlin studiert. Ein Werdegang, dem er seine braven Eltern entgegenstellt. Wie um alles in der Welt sollen Mama und Papa so einen Sohn verstehen?

Schubladendenken, Spiel und Ernst, Emotionen – das alles ist in den amüsanten Dialogen enthalten. Die Telefonate sind wie Puzzle-Steine, die am Ende jedoch nicht das Ganze ergeben. Genau wie im Leben.

Lehmann las nicht nur aus seinen Büchern vor, sondern übersetzte mittels Google-Übersetzer englische Songs ins Deutsche wie „Poker Face“ von Lady Gaga oder „Thunder“ von den Imagine Dragons und verpackte diese in das dazu passende Gedichtformat. Lieder von Udo Jürgens und Herbert Grönemeyer ließ er ins Chinesische übersetzen und wieder zurück. Zum Schluss rief seine Mutter an und lobte den Werdegang ihres Sohnes dann doch: „Wir gingen 1968 also nicht umsonst auf die Straße“.

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Duo Mimikry: Körpersprache in Perfektion

Von Hanni Vollmer.

Kunst und Kultur im Farrenstall feiert dieses Jahr sein zehntes Bühnenjubiläum mit elf hochkarätigen Veranstaltungen. Mit der zweiten Jubiläumsvorstellung bot das Duo „Mimikry“ am Wochenende eine faszinierende Performance der wortlosen Kunst.

Im voll besetzten Bürgersaal zeichneten der Berliner Elias Elastisch und sein französischer Künstlerkollege Nicolas Rocher pantomimisch Bilder, die sie zu aberwitzigen, gar grotesken oder humorvoll-berührenden nonverbalen Erzählungen aneinanderreihten.

Ihre Kunst der Körperbeherrschung, Gestik, Mimik, Rhythmik, gepaart mit vergnüglichen Momenten der Überraschung, Pointen, Kreativität und Flexibilität hatte eine unglaubliche Wirkung auf das Publikum. Natürlich haben der 33-jährige Elias Elastisch und der sieben Jahre ältere Nicolas Rocher die Welt der Pantomime und ihre Ausdrucksmöglichkeiten nicht neu erfunden.

Aber dem alten Genre der Darstellung haben die beiden in Berlin-Neukölln lebenden Künstler eine Neuinterpretation und den Zeitgeist in allen Facetten übergestülpt. Sie schöpfen aus dem reichen Fundus der klassischen Pantomime, setzten aber Elemente moderner, innovativer und visueller Theaterperformance ein. Das Duo „Mimikry“ überzeugte nicht nur mit seiner lyrischen Körpersprache und technischer Perfektion, sondern auch mit dramaturgisch-choreografischen Einfällen. Genial dabei, die ausgewählte Musik- und Geräuschebegleitung zur emotionalen Unterstützung der Stücke oder zur Assoziierung von Gefahren und Bedrohungen, so bei „Der Vampir“, einer amüsant-grotesken Geschichte mit kräftiger Orgelmusik.

Dass die Wahrnehmung des Sehens im Kopf abläuft, realisierten die Zuschauer besonders bei einer fiktiv gestellten Wand, deren Fläche die beiden abtasteten und die man geradezu vor sich sah. Harte Arbeit leisteten dabei die Muskeln der Handgelenke und der Hände. Dann rannte ein gut gekleideter Mann in ein Restaurant, schaute ständig auf die Uhr und telefonierte. Der freundliche Kellner war ihm zu langsam, denn er hatte ja keine Zeit.

Die Geschichte eines Stalkers im romantischen Liebesrausch und die amüsanten Signale einer Stripperin mit lockendem Lächeln und gekonntem Hüftschwung bescherten Herz erfrischende Lacher.

Bei der Szene mit den Managern in der U-Bahn sind die Haltegriffe an der Decke geradezu sichtbar. „Bestattungsinstitut-Neueröffnung“ stand anschließend an der Wand. Es folgte eine bizarre Erzählung über zwei morbide Bestatter, die zuerst mitfühlend mit den Angehörigen ihrer „Kunden“ waren, dann aber im Geldrausch aufgingen und sich gar über einen Flugzeugabsturz freuten.

Klaustrophobie – die Panikattacken der beiden im Fahrstuhl mit Schwitzen, Herzpochen, Erstickungsanfällen zu beobachten, dabei hatte man schon Mitleid. Große Erleichterung bei den beiden und beim Publikum, als der Fahrstuhl anhielt und sich öffnete. Das Duo „Mimikry“ erntete großen Beifall und Pfiffe für ihre Kunst des Schweigens.

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Bahnhof und Breschdlengsgsälz – Boning/Hoëcker live in DORNHAN


Von Cristina Priotto. Bernhard Hoëcker und Wigald Boning beantworteten in der Dornhaner Stadthalle Publikumsfragen – mal wissenschaftlich, mal erfunden, aber meistens lustig. Das Scheitern des Duos am schwäbischen Dialekt sorgte für große Heiterkeit.

Die Zukunft der Erdrotation, der nächste Bundeskanzler, das Dschungelcamp, aber auch der persönliche Beziehungsstatus von Bernhard Hoëcker und Wigald Boning: Das Spektrum der Fragen, die die Zuschauer am Mittwochabend beim Auftritt des Duos mit dem Programm „Gute Fragen“ stellten, war extrem vielfältig.

Entsprechend flexibel mussten die zwei bühnengestählten Komiker und Schauspieler reagieren. Dies gelang meist und unterhielt die gut 450 bei der ersten KKF-Veranstaltung über zwei Stunden.

Zu Gute kam Hoëcker und Boning eine frappierend gute, einander ergänzende Eingespieltheit, was auch in der gemeinsamen Moderation des satirischen Wissensmagazins „Nicht nachmachen“ begründet sein dürfte. Teils wechselten sich der aus „RTL Samstag Nacht“ bekannte Boning und der durch „Switch“ zu viel TV-Präsenz gelangte Hoëcker mehrmals im selben Satz ab.

Das Dornhaner Publikum interessierte sich für die großen Fragen der Menschheit („Wer sind wir?“, „Was machen wir mit Trump?“) ebenso wie für Privates über die preisgekrönten Comedians.

„Gibt‘s die Weste auch in passend?“ musste sich Wigald Boning zum Auftakt Kritik an der körperbetonten Kleidung anhören.

Aus der Frage nach der Bezeichnung für die Enden von Schnürsenkeln („Speziolen“, korrekt: „Pinke“) entwickelte das Duo einen wiederkehrenden Gag.

Die drei Jahre mit dem Bonner Improvisationstheater „Die Springmaus“ hatten Bernhard Hoëcker gut auf solche Auftritte vorbereitet. Bei der Frage nach dem nächsten Bundeskanzler warf der 49-Jährige spontan selbst den Hut in den Ring. Noch besser fände das Duo aber eine Doppelspitze an vorderster Front wie bei den Grünen oder der SPD. Mit Dialektfragen brachten einige Fragesteller die erfahrenen Comedians gehörig aus dem Konzept: Die Aussprache von „Eeleefele“ überforderte Boning/Hoëcker, zum Jux der Zuschauer.

Wäre es nach Bernhard Hoëckers Eltern gegangen, würde der Bonner heute als Postbeamter ein mäßig spannendes Dasein fristen, und dankbar sein darf man auch für Wigald Bonings Entscheidung, doch nicht Philosophie-Professor geworden zu sein. Klugscheißen können beide aber trotzdem.

Etliche der Zuschauer hatten Hoëcker bereits vor zwei Jahren beim Solo-Auftritt in Dornhan erlebt, weshalb ein gutes Dutzend Fragen um den nicht-existenten Dornhaner Bahnhof kreisten. Der Komiker führte das Fehlen darauf zurück, dass auf der Platte noch nicht einmal Schienen liegen. Sparrings-Partner Boning versprach einen Haltepunkt, sollte es mit dem Posten als Bahnchef klappen. Als das Publikum die Fragen nach einem Hafen oder Flughafen verneinen musste, fragte Bernhard Hoëcker irritiert: „Habt Ihr denn überhaupt irgendwas hier?“.

Mit einer Mischung aus Kopfschütteln und Fassungslosigkeit berichtete Boning von der Fahrt durch den Loßburger Weiler „24-Höfe“. Das Duo hielt dort eigens an und zählte nach. „Gibt‘s hier auch Orte, die ‚12000 Einwohner‘ heißen?“, stellte der 52-Jährige eine „Gute Frage“ an den Saal.

Bisweilen wurde der Grat zwischen wissenschaftlich fundierter Antwort und Klamauk arg schmal, und manche allzu schwierige Frage wiegelten die Comedians ab.

Herausfordernd war die Frage, was „Breschdlengsgsälz“ sei. Boning tippte auf ein Abenteuer Bertolt Brechts beim Übernachten im Zelt, Hoëcker mutmaßte, es könne sich um einen Amtstitel oder eine Sprachfehlerbezeichnung handeln – beides falsch, und das Publikum amüsierte sich königlich.

Nach mehr als zwei Stunden „Gute Frage“-Programms hatten nicht nur die Gäste einiges dazugelernt, auch Wigald Boning und Bernhard Hoëcker dürften Dornhan klüger verlassen haben.

Eine Rückkehr des Duos ist wahrscheinlich – sofern Dornhan einen Bahnhof kriegt. Vielleicht kann ja DB-Infrastrukturchef Ronald Pofalla beim Neujahrsempfang dazu etwas bewirken.

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Herr Niels und der Fürst der Finsternis: „Ein echter Knüller“

Super Stimmung bei KKF: Einen spaßigen Abend mit genialem Unsinn erlebten die Besucher am Samstagabend bei Kunst und Kultur im Farrenstall mit dem „Fürst der Finsternis“ und „Herr Niels“.

 

Auf allen international bedeutenden Varieté- und Theaterbühnen, faszinierenden Shows wie dem Cirque du Soleil oder renommierten Comedyfestivals ist Herr Niels mit seinem unglaublichen Spiel der imaginären Kräfte zu Hause. Martin Sierp – oder „Der Fürst der Finsternis“ ist der zweite, nicht weniger bekannte Comedian, der auf den Bühnen Europas auftritt und ebenso begeisterte.

 

Als großer Verwandlungkünstler sorgte Sierp an diesem Abend für ein kostenloses Workout der Bauchmuskeln sowie Vergnügen mit Zauberei, gelungenen Parodien und schier unerschöpflicher Schlagfertigkeit. Von der ersten bis zur letzten Minute nahm sich der Künstler nicht besonders wichtig und betonte mehrfach, dass seine Show kein Niveau habe. Er garantierte damit raffiniert, dass auch die flachsten Witze zum Lacher wurden. Gerade das machte ihn so sympathisch.

Mit der 13-jährigen Dornhanerin Maja aus dem Publikum bewies der Fürst sein Talent des Gedankenlesens. Sie sollte aus einem Vampirbuch ein Substantiv suchen und fest daran denken. Mit verbundenen Augen versuchte er, ihre Gedanken zu lesen, gespickt mit Albernheiten zur Belustigung der Besucher. Es überraschte nicht nur Maja, auch alle Gäste im gut besuchten Saal, dass das Wort „Friedhofsmauer“ das richtige war.

Susanne und Florian aus Sulgen holte er auf die Bühne und ließ sie reden, besser gesagt: Er übernahm die Rolle des Redens als Bauchredner für das Paar vor dem Altar. Das Publikum tobte. Dann wiederum ließ er Flaschen verschwinden oder zahlte mit 60 Euro in der Hand das Taschengeld seiner Söhne, das teure Shampoo seiner Frau, gab seinem Freund die geliehenen 30 Euro zurück und hielt zum Schluss immer noch 60 Euro in der Hand.

Körperillusionist erntet jede Menge Jubel

Bei Niels wiederum hieß es: „Flexibilität ist alles“. Unglaublich war sein nonchalantes Auftreten mit müheloser Leichtigkeit die Schwerkraft auflösend. Der grandiose Meister der Bewegung versetzte mit seiner eigenwilligen schlangenhaften Körpersprache und virtuoser Mimik alle ins Staunen. Dabei machte Herr Niels eigentlich nicht viel – oder besser gesagt nur ein bisschen Quatsch, Pantomime, sparsam eingesetzt, und witzig-kleine Wiederholungen, dagegen setzte er jedoch spektakuläre körperliche Einsätze. Wegen eben dieses subtilen artistisch-akrobatischen Zusammenspiels bei stummer Bühnenperformance begeisterte der mehrfach ausgezeichnete Körperillusionist und erntete nicht weniger Beifall und Jubel als Sierp. Die Doppelshow war, so ein Besucher, „ein echter Knüller – und das im kleinen Städtchen Dornhan“.

Text und Foto: Vollmer

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Chamaeleon Theater Horb a.N.: Ein Lebemann bereut sein Tun

KKF – Kunst und Kultur im Farrenstall – lud zu einer Open-Air-Veranstaltung ein. Bei schönstem Sommerwetter präsentierte „Das Chamaeleon“ aus Horb am Samstag „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal.

 

Bei Hofmannsthal ist Jedermanns Anbetung des Götzen Mammon ein Problem auf dem Weg in ein Leben nach dem Tod. Die herrlich erfrischende, entstaubte Umsetzung von Dorothee Jakubowski, die einen knallharten Kapitalisten im 21. Jahrhundert aufzeigt, blickt genau so auf den unbewältigten Sachverhalt von Tod und Gott wie auf das Aufeinandertreffen von herzlich-menschlichen und kalt-monetären Werten. Dabei konnte das Publikum Leben und Sterben des genusssüchtigen Protagonisten hautnah erleben. Beim rauschenden Fest für seine Geliebte und die teuflisch gute Gesellschaft servierten Tobias Haas und Doro Braun von KKF, als Bedienpersonal exzellent in die Szenen eingebunden, opulente Speisen und ausgewählte Weine. Der Kirchplatz wurde zum Schlemmerfeld auf dem das Laute, Schillernde und Leidenschaftliche und dessen Schattenseiten in der bildhaften Wortkunst Hofmanns­tahls beleuchtet wurde. Jedermänner wird es immer geben und die Fragen dazu ebenfalls. Wie und wofür lohnt es sich zu leben? Für Geld, Macht, Begierde? Für inneren Frieden, für Liebe? Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt? Wie ist der letzte Atemzug, wenn der Tod anklopft und das göttliche Gericht wartet?

 

Im Stück wird Jedermann ein Aufschub gewährt. Er hofft auf Hilfe aus seinem Umfeld. Wird sein egoistisches Kalkül aufgehen? Amüsement und seelische Tiefe zeigen sich in guter Balance. Wenn Andreas Schnell als Jedermann die aufreizend-berechnende „Buhlschaft“ (Rosa Maria Paz) im engen roten Kleid begehrt, knisterte es geradezu vor Erotik. Die Sorgen seiner Mutter (Monika Bugala) lassen ihn kalt. Er setzt auf seine Freunde, die ihn im Stich lassen, so auch seine Dienerschaft. Ausgelacht wird er sogar vom ruppigen Mammon. Die Angst vor dem Tod sitzt allen im Nacken. Dann kommt der bedrohliche kalte Tod zurück (beeindruckend verkörpert von Dorothee Jakubowski) und fordert Jedermann auf, nun mit ihm zu gehen.

Aus der Ferne ertönt leise die Stimme der Hoffnung (Rosa Maria Paz). Jedermann hört seine „guten Werke“, die noch als einzige zu ihm halten. Zu schwach ist das bleiche kranke Wesen jedoch, um die Seele Jedermanns vor dem Zugriff des Teufels (Swen Richter) zu retten. Doch gemeinsam mit ihrer erhabenen Schwester, dem „Glauben“ (Magdalena Rau) schaffen sie Jedermanns Wandlung zur Bußbereitschaft. Die vielen begeisterten Zuschauer spendeten lang anhaltenden Applaus für ein sympathisches Ensemble mit überzeugender Spielfreude.

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Sebastian Lehmann trifft im Bürgersaal ins Schwarze!

Text und Foto: Hanni Vollmer

Bei KKF – Kunst und Kultur im Farrenstall – ist immer was los. So war am Samstag der Lesebühnenautor und Poetry-Slammer Sebastian Lehmann zu Gast. Die Veranstaltung des namhaften Künstlers mit seinen lustigen Telefonaten war bereits im Dezember ausverkauft.

 

In den vergangenen Jahren ist der gebürtige Freiburger, der Neuere deutsche Literatur, Philosophie und Geschichte studierte, durch seine launigen „Elternzeit“-Telefonate im Radio bekannt geworden. Nach wenigen Augenblicken hat der symphatische Mittdreißiger die Zuhörer mit seiner erfrischend authentischen Art auf seiner Seite.

„Wie alle waschechten Berliner komme ich aus Süddeutschland“, erklärt er. Deshalb gebe es häufig Telefonate mit seinen Eltern in Freiburg. Einige davon habe er mitgeschrieben.

Spaßig, ideenreich und überzogen sind seine, mit angenehmer, ruhiger Stimme hervorgebrachten Erzählungen. Jugendkultur, Eltern-Kinder-Beziehung, Lösungsprozesse und eine etwas andere Lyrik bieten ihm ein weites, seitenfüllendes Feld – bis hin zu unterhaltsamen Büchern. Urkomisch, wie er die elterliche Fürsorglichkeit, die zwischen Rüge und Sorge hin- und herpendelt, aufzeigt. Beim Vorlesen huscht von Zeit zu Zeit ein Lächeln über das Gesicht. Er scheint seinen Eltern intensiv zuzuhören. Es geht dabei um Alltagsdinge, um Gott und die Welt.

 

Aber Mutter und Vater äußern bei allen Telefonaten schlussendlich immer ihre Sorgen, Erwartungen und Wünsche und lassen ihren Emotionen freien Lauf. So sorgen sie sich um sein Auskommen als brotloser Künstler, geben Ratschläge bei Erkältungen, fordern Präsenz an Weihnachten, kündigen stressige Berlin-Besuche an und fragen nach seinen Beziehungen. „Ich habe seit vier Jahren eine Freundin, Mutter, und ihr kennt sie“. Es wird viel und herzlich gelacht im Bürgersaal. „Oh, meine Eltern, sie ändern sich nie, aber wahrscheinlich ist das gut so“, konstatiert die Frohnatur zum Schluss und überhört den mütterlichen Kommentar: „Mit deinem Bruder hatten wir ja Glück“. Das Publikum, das bei dieser Veranstaltung rund 20 Jahre jünger als bei anderen ist, spendet einen Riesenapplaus.
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Ponticellos – Cello bietet emotionale Intensität

Von Hanni Vollmer

Spielfreude mit Musik auf höchstem Niveau erlebten die zahlreichen Besucher am vergangenen Samstag bei KKF – Kunst und Kultur im Farrenstall.

Das Duo „Ponticellos“ begeisterte mit seinen Sounds von kammermusikalischer Intimität bis hin zu ungebändigter Rockmusik. Das Cello, in einem Symphonieorchester ein notorisch im Schatten der Violine stehendes Streichinstrument, nutzen Matthias Trück und Tim Ströbele deutlich herausgehobener.

Sie entlocken dem Cello nicht nur die kraftvollen geerdeten sowie die warm-weichen höheren Töne, sondern auch seine ganze Ausdrucksbreite emotionaler Intensität. Die beiden kreativen Musiker experimentieren klanglich mit Zupfen, Streichen, Klopfen und weiteren Ausdrucksformen in griffigen Tempi.

In ihrem weltmusikalischen Rundflug zogen sie alle Register ihres gestalterischen Könnens und verblüfften mit gefühlvollen bis spritzig-frechen Stücken. Tim Ströbele, Konzertmeister bei der Württembergischen Philharmonie, und Matthias Trück, Arrangeur und Gründer der Cello-Akademie Rutesheim, stehen seit 20 Jahren als Duo „Ponticellos“ auf der Bühne. Zur Eröffnung des Konzerts spielten die Instrumentalisten mit traumhafter Sicherheit den raffiniert arrangierten Soundtrack von Hans Zimmer zum Film „Madagascar“, gefolgt von südamerikanischer Melancholie in „Canción con Toros“. Mit Arrangements aus dem Film „Buena Vista Social Club“ erklang unbeschwerte kubanische Leichtigkeit. Das Publikum reagierte mit Bravo-Rufen. Aus der Feder von Tim Ströbele hörte man anschließend spielerisch entstandene Eigenkompositionen wie „Harte Zeiten“, „Abschied“, „Nachts“ und „Zeitlos““, die sie launisch-unterhaltsam mit meditativen Momenten, dann wieder mit gnadenloser schweißtreibender Hektik präsentierten.

Nach der Pause interpretierten die Cellisten farbig kolorierte Jazzmelodien. Osteuropäischen Klängen nachempfunden war der „Balkanbeat“.

Einen besonders virtuosen Ausdruck fanden die Instrumentalisten bei „Libertango“ von Astor Piazzolla. Das Publikum war außer sich. Nach „Mad World“, dem letzten Programmstück, erklatschten sich die Zuhörer weitere Melodien. Mit dem Volkslied aus Katalonien „Der Gesang der Vögel“ verabschiedeten sich „Ponticellos“ schließlich.

Die geballte Intensität wechselnder Stimmungen und die spürbarer Harmonie zwischen den Virtuosen war großartig und beeindruckte.

 

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Adele Neuhauser in Dornhan: „Ich war einmal mein größter Feind“

Von Hanni Vollmer

Wer kennt sie nicht, die sympathische Schauspielerin Adele Neuhauser als vom Nikotinhusten geschüttelte Bibi Fellner, die im Wiener Tatort so gerne mit „Bist deppat?“ um sich wirft?

 

Am Wochenende war der TV-Liebling Gast bei KKF – Kunst und Kultur im Farrenstall. Angereist war die 60-Jährige allerdings nicht mit ihrer schrill lackierten Karre, sondern mit dem Bus ihres Sohnes Julian Pajzs, einem Jazzmusiker, der mit der Band „Edi Nulz“ die Lesung seiner Mutter begleitete.

 

„Ich war mein größter Feind“ lautet ihr autobiografisches Buch, aus dem Neuhauser eindrucksvolle Passagen las. Ihr Publikum im ausverkauften Saal war im Nu gefangen.

Als Adele vier Jahre alt war, übersiedelte die Familie der gebürtigen Athenerin nach Wien.

Schon bald wurde ihre Kindheit beeinflusst von der Trennung der Eltern, nach der sie beim griechischen Vater lebte. Warmherzig und mit großer Offenheit erzählt sie von Schwächen und Krisen, von Selbstmordversuchen zwischen dem zehnten und dem 21. Lebensjahr. Die Schauspielerlei gab der jungen Adele aber den notwendigen Halt zur Selbstfindung. Sie lernte, sich vom Leben umarmen zu lassen. Am Theater in Münster und später in Essen hatte Neuhauser die Möglichkeit, sich auszuprobieren und zu entwickeln, dabei auch hartnäckig und durchsetzungsfähig zu werden. Den Durchbuch schaffte sie dann aber beim Fernsehen.

Bibi hat viel Zivilcourage, ein großes Herz und setzt sich für die Wahrheit, für Gerechtigkeit und die Schwächeren ein. Sie ist nicht perfekt, nicht geschleckt, hat Empathie und Humor. „Diese Rolle passt zu mir“, sagte die prominente Kriminalfrontfrau mit ihrer markant-tiefen Stimme.

Sie erzählte auch von ihren österreichischen Goßeltern, die beide Malerei studierten und ihr den Blick für die Kunst und die heimischen Wälder schärften.

Durch den Tod ihrer Eltern und ihres Bruders habe sie die Endlichkeit extrem erfahren. Das habe ihren Blick aufs Leben positiv verändert. Das eigentliche Glück liegt für Adele in einer durch einfache Dinge zustande kommende Zufriedenheit. Ganz offen erzählte sie von Vorbildern, und sie gab auch Träume preis. Dann berichtete sie von ihrer Liebe zu Julian. „Schon als ich mit ihm schwanger war, hatte ich das Gefühl, da passiert etwas Göttliches in mir und mit mir. Als ich ihn dann zum ersten Mal in den Armen hielt, spürte ich eine bedingungslose Liebe“. Das sei bis heute so. Man begegne sich immer auf Augenhöhe, sagte die stolze Mutter.

Faszinierend bei ihrer Lesung war immer auch die melodiöse Wiener Mundart mit weichen Konsonanten und in die Länge gezogenen Vokalen. Eine Sprache, die mit einem gewissen Augenzwinkern beim Zuhörer ankam.

Das Dornhaner Publikum war vollkommen begeistert, auch von „Edi Nulz“ mit den experimentellen Rock-Jazz-Arrangements.

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Duo con Animo: Poetisch und in perfekter Einigkeit

Von Hanni Vollmer

Seltene Besetzung mit hoher Strahlkraft: Im Rahmen des Rottweiler Dreiklang-Festivals gab das „Duo con Animo“ mit Birgit Maier-Dermann, Querflöte, und Gitarrist Günther Schwarz ein Konzert bei KKF – Kunst und Kultur im Farrenstall.

Im gut besetzten Bürgersaal nahmen die sympathischen Musiker ihre Zuhörer mit auf eine spannende Reise durch drei Jahrhunderte musikalischer Stilepochen. Bereits beim Auftakt, dem quirlig-launigen „Entr-Acte“ von Jacques Ibert, ein Stück der Moderne, zeigten Flötistin und Gitarrist, dass die seltene Kombination von Querflöte und klassischer Gitarre faszinierend klingt.

Sehr gefühlvoll interpretierte das Duo die „Quattro Episodi“ von Franco Margola mit seiner typisch impressionistisch gefärbten Tonsprache, die im Wechsel spannungsgeladen, gefällig, ruhig oder raffiniert-lebhaft erklang. In den vierten Satz im tänzerischen Charakter legten sie ihre volle Energie. Unglaublich poetisch und in perfekter Korrespondenz mit ihrem Partner auf der Gitarre spielte Maier mit ihrer besonderen Ausstrahlung die plätschernden, zum Träumen anregenden bis hin zu expressiven Melodien des Italieners Mauro Guiliani aus „Große Sonate, op 85“ bevor man das begeisterte Publikum in die Pause entließ.

Am Buffet reichte das Team von KKF den Besuchern „Dreiklang-Baguettes“ in verschiedenen Variationen und spanischen Wein.

Im zweiten Teil traf Bach auf Piazzolla. Die gelungene Hommage an die beiden Meister begann mit Johann Sebastian Bachs Sonate C-Dur, BVW 1033. Die Zuhörer erlebten eine überaus sensible und in der Klangentfaltung schwebend leichte Wiedergabe mit tänzerischen Sätzen. Präzise und doch voller Seele, immer mit einem charmanten Lächeln im Gesicht brachte sich die Flötistin ein. Ruhig und überaus akzentreich begleitete sie der Gitarrist.

Das Spiel ist sehr persönlich, nichts wirkt gemacht. Die Sprache Piazzollas, mit der er die Weiterentwicklung des Tango durch Generationen erzählt, enthält Energie und Gefühl, und das zeigte das Duo mit seiner virtuosen Interpretation von „Histoire du Tango“. Sehr sinnlich, raffiniert in Färbungen und Harmonien und schließlich äußerst temperamentvoll war die Musik der Bordelle, der Cafés, der Nightclubs und das Gesicht des heutigen Tango.

Die beiden Musiker, die während ihrer Lehrtätigkeit an der Stuttgarter Musikschule ihre musikalische Übereinstimmung entdeckten, treten seit 2007 zusammen auf.

Besondere Instrumente

Birgit Maier-Dermann studierte an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart. Die Flötistin spielt auf einer handgearbeiteten Vollsilberflöte. Günther Schwarz erhielt seine Ausbildung an den Musikhochschulen Stuttgart und Trossingen. Der Musiker spielt ein Instrument des weltweit renommiertesten Gitarrenbauers Daniel Friederich. Zusätzlich zu ihren zahlreichen Konzerten vermitteln sie in Zusammenarbeit mit bildenden und darstellenden Künstlern Wahrnehmung und Wertschätzung von Kunst.

Birgit Maier, charmant und immer lächelnd, überzeugte im Farrenstall bei Bach und Piazzolla durch Intensität und ihrem ungemein wandlungsfähigen Ton, leicht und weich in den hohen Lagen, warm und dunkel in den tiefen Lagen. Günther Schwarz gab der Gitarre einen ungemein kultivierten Klang und verfehlte keineswegs die Wirkung in den Gratwanderungen. Das hingerissene Publikum erklatschte sich drei Zugaben.

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Philipp Weber: Pointengewitter im Farrenstall

Von Hanni Vollmer

Nach der Spielpause über den Jahreswechsel startet Kunst und Kultur im Farrenstall schwungvoll in die neue Saison von „Kultur – hautnah“.

Philipp Weber, ein pausenlos plappernder Sprachkünstler der Kabarettszene, hat sich am Samstag im ausverkauften Bürgersaal mit dem Programm „Weber Nr. 5: Ich liebe ihn“ präsentiert.

Das Solo ist einerseits sein fünftes, andererseits soll es an einen bestimmten Duft erinnern. Sympathisch, beweglich und makaber für die einen, zu schnell, zu übertrieben für die anderen, entführt Weber seine Zuschauer in die Welt der Agenturen für Image-Design mit ihrer cleveren Suggestionspolitik. Er philosophiert, ereifert sich und überschüttet das Publikum kübelweise mit Slogans.

„Stuttgart kifft“ ist sein Spot für Kretschmanns Legalisierung von Cannabis. Der 44-jährige Naturwissenschaftler deckt dabei süffisant Unwahrheiten und absurde Argumente auf diesen Gebieten auf. Bei den irrsinnigen Wasserläufen an Informationen stehen so manchen Zuhörern Schweißperlen auf der Stirn. Weber wettert über Marken- und Personen-PR, Werbung für jegliche Zielgruppen und betont, dass Werbung für Kinder unter zwölf Jahren verboten gehört.

Auch Politik, Zeitgeist-Anhänger und gesellschaftlich brisante Themen lässt Weber nicht aus. Für absichtliche Veralterung von Produkten – der Obsoleszenz – nennt er unzählige Beispiele. Ein ­Exempel vorbildlichen Manipulations-Marketing findet großen Applaus. Ein Ehemann sollte Eier kaufen. Überglücklich kommt er mit einem Computer der neuesten Leistung zurück. Da könne er in Sekunden 20 Pfannkuchenrezepte herunterladen. „Ja, und die Eier dazu, wo sind die?“, fragt die Ehefrau. Weber selbst sei auch des öfteren auf solche Marketingkampagnen hereingefallen. Er hatte sich einen Trüffelhobel gekauft, verschiedene Milchaufschäumer und ein 45-teiliges Messerset. Mit zwei Messern davon könne er sogar lardieren. Er müsse jetzt nur noch nachschlagen, was das sei.

Die Bedürfnispyramide

Dann erklärt er anhand der Maslowschen Bedürfnispyramide die Motive der Kauflust. Der Inhaber einer Werbeagentur habe ihn überzeugt. Vor seiner Agentur stand lange Zeit ein Obdachloser mit dem Schild „Arbeitsloser Deutscher – brauche Geld für Essen, habe Hunger“. „Junge, so wird das nichts“, habe er ihm gesagt und ein neues Schild gemalt: „Arbeitsloser Asylant – brauche Geld für Kondome, sonst werden wir mehr“. Heute habe dieser Mann 20 Angestellte. „Unterschätzen sie niemals die Macht der Emotionen“, betont er trocken.

Die Macht von Kundenbindung umschreibt er mit seiner Show: „In 20 Jahren werden sie diesen Abend genossen haben.“ Zusammenfassend sein Rat: „Zeit ist die wichtigste Währung des Lebens. Bleiben sie der Hektik und der Manipulation fern“. Am Ende spendete das Publikum Applaus für das Pointengewitter.