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Sebastian Lehmann: Waschechter Berliner aus Süddeutschland

Von Hanni Vollmer.

Für viele in der Region seit nun zehn Jahren ein Inbegriff für Kunst und Kultur ist die Kleinkunstbühne KKF im Farrenstall. Am Samstag trat Sebastian Lehmann auf. Der Lesebühnenautor und Poetry Slammer ist nicht nur SWR 3-Hörern bekannt.

Auch im Jubiläumsjahr bietet KKF in angenehmer Atmosphäre Kunst als Erlebnis mit greifbar nahen Künstlern. Es wird nicht nur Anspruchsvolles, Witziges und Sympathisches geboten – das Kleinod ist auch Ort der Begegnung, an dem es bunt und vielfältig zugeht.

Nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr buchten die Macher von KKF Sebastian Lehmann, den sympathischen Jungen der 1980er-Jahre, gleich nochmal für das Zehnjährige. Und siehe da, die Veranstaltung war bereits im Oktober ausverkauft. Zurecht, denn seine Telefonate sorgten wieder für viel Begeisterung und Gelächter im Saal.

Mit den zwischenmenschlichen Geschichten und der Vortragskunst bei staubtrockenem Humor hatte Lehmann schon nach wenigen Augenblicken die Zuhörer auf seiner Seite. Diese waren übrigens rund 20 Jahre jünger als bei anderen Veranstaltungen von KKF.

Eine schlichte Bühne vor einem dunklen Vorhang, Tisch und Stuhl, ein Mikrofon und ein Laptop – mehr brauchte es nicht für einen äußerst amüsanten Abend. Ganz entspannt, mit Tagesbart und unkonventionellem Haarschnitt stellte er sich vor: „Wie alle waschechten Berliner komme ich aus Süddeutschland“, um dann gleich mit ruhiger Stimme von den Telefonaten mit seinen in Freiburg lebenden Eltern zu erzählen.

Über das philosophische Denkprotokoll bezüglich Eltern-Sohn-Beziehung, gesellschaftlich und religiös greifenden Wandels, Politik und Energiefalle mit Klimawandel wird herzlich gelacht – so bei der Argumentation eines Vaters in der Kita „Unser Kind entscheidet später selbst, ob es männlich oder weiblich sein möchte, nicht wahr Tristan-Maria?“ oder beim Kommentar seines Vaters über das Wetter in Berlin: „Der Sommer in Berlin fiel dieses Jahr auf einen Freitag.“

Die tragikomischen Absurditäten, welche die Eltern bei den Telefonaten mit gezielten Seitenhieben auftischen und die Lehmann mit reichlich Selbstironie vorträgt, sind sogar ein guter Therapieansatz – auch fürs Publikum.

Lehmann hat neuere deutsche Literatur, Philosophie und Geschichte in Berlin studiert. Ein Werdegang, dem er seine braven Eltern entgegenstellt. Wie um alles in der Welt sollen Mama und Papa so einen Sohn verstehen?

Schubladendenken, Spiel und Ernst, Emotionen – das alles ist in den amüsanten Dialogen enthalten. Die Telefonate sind wie Puzzle-Steine, die am Ende jedoch nicht das Ganze ergeben. Genau wie im Leben.

Lehmann las nicht nur aus seinen Büchern vor, sondern übersetzte mittels Google-Übersetzer englische Songs ins Deutsche wie „Poker Face“ von Lady Gaga oder „Thunder“ von den Imagine Dragons und verpackte diese in das dazu passende Gedichtformat. Lieder von Udo Jürgens und Herbert Grönemeyer ließ er ins Chinesische übersetzen und wieder zurück. Zum Schluss rief seine Mutter an und lobte den Werdegang ihres Sohnes dann doch: „Wir gingen 1968 also nicht umsonst auf die Straße“.

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Duo Mimikry: Körpersprache in Perfektion

Von Hanni Vollmer.

Kunst und Kultur im Farrenstall feiert dieses Jahr sein zehntes Bühnenjubiläum mit elf hochkarätigen Veranstaltungen. Mit der zweiten Jubiläumsvorstellung bot das Duo „Mimikry“ am Wochenende eine faszinierende Performance der wortlosen Kunst.

Im voll besetzten Bürgersaal zeichneten der Berliner Elias Elastisch und sein französischer Künstlerkollege Nicolas Rocher pantomimisch Bilder, die sie zu aberwitzigen, gar grotesken oder humorvoll-berührenden nonverbalen Erzählungen aneinanderreihten.

Ihre Kunst der Körperbeherrschung, Gestik, Mimik, Rhythmik, gepaart mit vergnüglichen Momenten der Überraschung, Pointen, Kreativität und Flexibilität hatte eine unglaubliche Wirkung auf das Publikum. Natürlich haben der 33-jährige Elias Elastisch und der sieben Jahre ältere Nicolas Rocher die Welt der Pantomime und ihre Ausdrucksmöglichkeiten nicht neu erfunden.

Aber dem alten Genre der Darstellung haben die beiden in Berlin-Neukölln lebenden Künstler eine Neuinterpretation und den Zeitgeist in allen Facetten übergestülpt. Sie schöpfen aus dem reichen Fundus der klassischen Pantomime, setzten aber Elemente moderner, innovativer und visueller Theaterperformance ein. Das Duo „Mimikry“ überzeugte nicht nur mit seiner lyrischen Körpersprache und technischer Perfektion, sondern auch mit dramaturgisch-choreografischen Einfällen. Genial dabei, die ausgewählte Musik- und Geräuschebegleitung zur emotionalen Unterstützung der Stücke oder zur Assoziierung von Gefahren und Bedrohungen, so bei „Der Vampir“, einer amüsant-grotesken Geschichte mit kräftiger Orgelmusik.

Dass die Wahrnehmung des Sehens im Kopf abläuft, realisierten die Zuschauer besonders bei einer fiktiv gestellten Wand, deren Fläche die beiden abtasteten und die man geradezu vor sich sah. Harte Arbeit leisteten dabei die Muskeln der Handgelenke und der Hände. Dann rannte ein gut gekleideter Mann in ein Restaurant, schaute ständig auf die Uhr und telefonierte. Der freundliche Kellner war ihm zu langsam, denn er hatte ja keine Zeit.

Die Geschichte eines Stalkers im romantischen Liebesrausch und die amüsanten Signale einer Stripperin mit lockendem Lächeln und gekonntem Hüftschwung bescherten Herz erfrischende Lacher.

Bei der Szene mit den Managern in der U-Bahn sind die Haltegriffe an der Decke geradezu sichtbar. „Bestattungsinstitut-Neueröffnung“ stand anschließend an der Wand. Es folgte eine bizarre Erzählung über zwei morbide Bestatter, die zuerst mitfühlend mit den Angehörigen ihrer „Kunden“ waren, dann aber im Geldrausch aufgingen und sich gar über einen Flugzeugabsturz freuten.

Klaustrophobie – die Panikattacken der beiden im Fahrstuhl mit Schwitzen, Herzpochen, Erstickungsanfällen zu beobachten, dabei hatte man schon Mitleid. Große Erleichterung bei den beiden und beim Publikum, als der Fahrstuhl anhielt und sich öffnete. Das Duo „Mimikry“ erntete großen Beifall und Pfiffe für ihre Kunst des Schweigens.

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Bahnhof und Breschdlengsgsälz – Boning/Hoëcker live in DORNHAN


Von Cristina Priotto. Bernhard Hoëcker und Wigald Boning beantworteten in der Dornhaner Stadthalle Publikumsfragen – mal wissenschaftlich, mal erfunden, aber meistens lustig. Das Scheitern des Duos am schwäbischen Dialekt sorgte für große Heiterkeit.

Die Zukunft der Erdrotation, der nächste Bundeskanzler, das Dschungelcamp, aber auch der persönliche Beziehungsstatus von Bernhard Hoëcker und Wigald Boning: Das Spektrum der Fragen, die die Zuschauer am Mittwochabend beim Auftritt des Duos mit dem Programm „Gute Fragen“ stellten, war extrem vielfältig.

Entsprechend flexibel mussten die zwei bühnengestählten Komiker und Schauspieler reagieren. Dies gelang meist und unterhielt die gut 450 bei der ersten KKF-Veranstaltung über zwei Stunden.

Zu Gute kam Hoëcker und Boning eine frappierend gute, einander ergänzende Eingespieltheit, was auch in der gemeinsamen Moderation des satirischen Wissensmagazins „Nicht nachmachen“ begründet sein dürfte. Teils wechselten sich der aus „RTL Samstag Nacht“ bekannte Boning und der durch „Switch“ zu viel TV-Präsenz gelangte Hoëcker mehrmals im selben Satz ab.

Das Dornhaner Publikum interessierte sich für die großen Fragen der Menschheit („Wer sind wir?“, „Was machen wir mit Trump?“) ebenso wie für Privates über die preisgekrönten Comedians.

„Gibt‘s die Weste auch in passend?“ musste sich Wigald Boning zum Auftakt Kritik an der körperbetonten Kleidung anhören.

Aus der Frage nach der Bezeichnung für die Enden von Schnürsenkeln („Speziolen“, korrekt: „Pinke“) entwickelte das Duo einen wiederkehrenden Gag.

Die drei Jahre mit dem Bonner Improvisationstheater „Die Springmaus“ hatten Bernhard Hoëcker gut auf solche Auftritte vorbereitet. Bei der Frage nach dem nächsten Bundeskanzler warf der 49-Jährige spontan selbst den Hut in den Ring. Noch besser fände das Duo aber eine Doppelspitze an vorderster Front wie bei den Grünen oder der SPD. Mit Dialektfragen brachten einige Fragesteller die erfahrenen Comedians gehörig aus dem Konzept: Die Aussprache von „Eeleefele“ überforderte Boning/Hoëcker, zum Jux der Zuschauer.

Wäre es nach Bernhard Hoëckers Eltern gegangen, würde der Bonner heute als Postbeamter ein mäßig spannendes Dasein fristen, und dankbar sein darf man auch für Wigald Bonings Entscheidung, doch nicht Philosophie-Professor geworden zu sein. Klugscheißen können beide aber trotzdem.

Etliche der Zuschauer hatten Hoëcker bereits vor zwei Jahren beim Solo-Auftritt in Dornhan erlebt, weshalb ein gutes Dutzend Fragen um den nicht-existenten Dornhaner Bahnhof kreisten. Der Komiker führte das Fehlen darauf zurück, dass auf der Platte noch nicht einmal Schienen liegen. Sparrings-Partner Boning versprach einen Haltepunkt, sollte es mit dem Posten als Bahnchef klappen. Als das Publikum die Fragen nach einem Hafen oder Flughafen verneinen musste, fragte Bernhard Hoëcker irritiert: „Habt Ihr denn überhaupt irgendwas hier?“.

Mit einer Mischung aus Kopfschütteln und Fassungslosigkeit berichtete Boning von der Fahrt durch den Loßburger Weiler „24-Höfe“. Das Duo hielt dort eigens an und zählte nach. „Gibt‘s hier auch Orte, die ‚12000 Einwohner‘ heißen?“, stellte der 52-Jährige eine „Gute Frage“ an den Saal.

Bisweilen wurde der Grat zwischen wissenschaftlich fundierter Antwort und Klamauk arg schmal, und manche allzu schwierige Frage wiegelten die Comedians ab.

Herausfordernd war die Frage, was „Breschdlengsgsälz“ sei. Boning tippte auf ein Abenteuer Bertolt Brechts beim Übernachten im Zelt, Hoëcker mutmaßte, es könne sich um einen Amtstitel oder eine Sprachfehlerbezeichnung handeln – beides falsch, und das Publikum amüsierte sich königlich.

Nach mehr als zwei Stunden „Gute Frage“-Programms hatten nicht nur die Gäste einiges dazugelernt, auch Wigald Boning und Bernhard Hoëcker dürften Dornhan klüger verlassen haben.

Eine Rückkehr des Duos ist wahrscheinlich – sofern Dornhan einen Bahnhof kriegt. Vielleicht kann ja DB-Infrastrukturchef Ronald Pofalla beim Neujahrsempfang dazu etwas bewirken.